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16. November 2013

Schnellkurs Scheitern

Thementag

„Ever tried. Ever failed. No matter. Try again. Fail again. Fail better.“ Samuel Beckett


Obwohl jede und jeder damit vertraut und es aus unserem täglichen Leben nicht wegzudenken ist, wird das Versagen in der zeitgenössischen Gesellschaft
gerne zum Tabuthema gemacht. Am Thementag Schnellkurs Scheitern ruft brut dazu auf, die Unsicherheiten über Bord zu werfen und dem Scheitern endlich aufrecht ins Antlitz zu blicken. KünstlerInnen, DenkerInnen und ExpertInnen prüfen das Potenzial eines „nachhaltigen Scheiterns“ in den eigenen Tätigkeitsfeldern mit Blick auf soziale und politische Veränderungen. In Lectures, Diskussionen und Performances wird Scheitern als soziales Phänomen, im Kontext der finanziellen Krise und zu guter Letzt als Experiment im künstlerischen Prozess, wenn nicht sogar als künstlerische Praxis selbst adressiert.

Schnellkurs Scheitern wird im Rahmen des Projekts House on Fire präsentiert, mit Unterstützung des Kulturprogramms der Europäischen Union.

Programm:

17 bis 18.30 Uhr

Stadtkino
Hans Petter Moland (Oslo)
When Bubbles Burst (Dokumentarfilm, 2012, 90 min)
In englischer Sprache

Der Film When Bubbles Burst erzählt die Geschichte hinter der Geschichte: In einer globalisierten Ökonomie wird es immer schwieriger für Nationen, Unternehmen und Individuen, sich gegen die extreme finanzielle Unbeständigkeit zu schützen. Der ökonomische Butterfly-Effect macht alle im gleichen Maße verwundbar. Man stelle sich vor: Eines Tages wacht man in einem kleinen norwegischen Dorf auf und muss erkennen, dass die Wirtschaft des Orts zusammengebrochen ist. Das ländliche Dorf Vik an der westlichen Küste Norwegens war eines der großen Opfer des globalen Finanzkollapses. Zusammen mit einem der Gemeinderäte kämpfte sich der Bürgermeister von Vik in der Folge durch das Finanzlabyrinth, um den Abläufen hinter den „Blasen“ und „Crashes“ auf die Schliche zu kommen und zukünftige Trends und Visionen zur Diskussion zu stellen.
In Hans Petter Molands Dokumentarfilm trifft man auf Nobelpreisträger, Ökonomen von Weltrang, Zocker im globalen ökonomischen Spiel und „den kleinen Mann“. Zusammen rechnen sie entschlossen mit der heutigen Situation ab, ziehen faszinierende historische Parallelen und geben eine plastische Schilderung der aktuellen Finanzkrise.

When Bubbles Burst // 1. trailer from Dinamo on Vimeo.

18 bis 18.45 Uhr & 22.30 bis 23.15 Uhr

brut im Künstlerhaus/Bar
San Keller (Zürich) & Steffi Hofer
PERPETUA (Performance, 45 min)

Wenn eine Sprache erlernt werden kann, dann sollte sie auch wieder verlernt werden können. Im Rahmen der Performance PERPETUA wird die Klinische Diplomsprechwissenschaftlerin Steffi Hofer den Versuch unternehmen, Therapiemethoden, die normalerweise Sprachbilder verbessern, in umgekehrter Weise anzuwenden. Sie unterzieht die funktionierende Sprache des Künstlers San Keller einem Härtetest und stört sein Sprechen nachhaltig.
Die Arbeiten von San Keller, geboren 1971 in Bern, zeichnen sich durch kritische und konzeptuelle Überlegungen zum Kunstbetrieb aus. Seine Aktionen und Performances waren in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen zu sehen, z. B. in der Kunsthalle Fridericianum (Kassel) und bei den Wiener Festwochen 2010. www.museumsankeller.ch


19 bis 20.30 Uhr

brut im Künstlerhaus/Saal
Deborah Hazler (Wien)
Kill Your Inner Boy – Making the Decision to Become a Man
(Performance/Lecture, 15 min)
In englischer Sprache

Christian Morris, der Prototyp des erfolgreichen Mannes aus Deborah Hazlers letzter brutproduktion, Anthropology of Man, hält eine motivierende Lecture mit dem Titel Kill Your Inner Boy – Making the Decision to Become a Man. Er erklärt, wie man mit einfachen Mitteln Erfolg auf der ganzen Linie hat und aus eigener Kraft spielend vom gescheiterten Versager zum erfolgreichen, ehrbaren Mann wird.
Deborah Hazler ist freischaffende Choreografin und Tänzerin in Wien. Als Performerin arbeitete sie u. a. mit Oleg Soulimenko und Anne Juren und realisierte die Produktion offnature bei imagetanz 2012 im brut. Gemeinsam mit Nanina Kotlowski leitet sie den Kunst- und Kulturverein Raw Matters und kuratiert dessen Performancereihe im Wiener Schikaneder Kino.

brut im Künstlerhaus/Saal
Ingo Niermann (New York) & Giancarlo Corsi (Modena)
(Gespräch/Präsentation, ca. 70 min)

In seinem 2003 veröffentlichten Buch Minusvisionen berichtet Autor Ingo Niermann von den Visionen, Projekten und Pleiten deutscher Entrepreneurs. Im Zuge dieser Publikation wurde Niermann selbst zum Unternehmer, um gemeinsam mit einem Protagonisten aus den Minusvisionen erfolgreich daran zu scheitern, eine wachsende Pyramide als kollektive, egalitäre Grabstätte zu errichten.
Während Niermann über das Scheitern von Visionen an der Realität berichtet, beschäftigt sich der Soziologe Giancarlo Corsi mit dem Verhältnis von Scheitern und Karriere. Er geht der Frage nach, wie die moderne Gesellschaft Zukunftsperspektiven in Erfolg und Scheitern aufspaltet und wie Erwartungen entsprechend strukturiert werden. Da das Scheitern Bedingung des Erfolgs ist und umgekehrt, stellt sich das Problem, die Erwartungsenttäuschungen zu behandeln. Giancarlo Corsi ist Professor an der Universität von Modena und forscht im Bereich Politik und Organisation. www.thegreatpyramid.de, www.minusvisionen.de

Nach kurzen Präsentationen führen Giancarlo Corsi und Ingo Niermann ein Gespräch zum Thema Scheitern als soziales Phänomen.


20.45 bis 22 Uhr

brut im Künstlerhaus/Saal
Chris Kondek (Berlin)
Cash for trash (Lectureperformance)
In englischer Sprache

In der realen Welt muss jede und jeder seinen eigenen Ballast selbst entsorgen und dabei auch mit dem Gestank leben. In der verdrehten „Too big to fail“-Welt der Banken allerdings wird Abfall ganz schnell zum Edelmetall. Mit viel Rauch, Spieglein, Spieglein und mystischer Buchhaltung legen die Wunderheiler der Bankenwelt den schlechten Banken die Hände auf und machen sie wieder gut und gesund. Die Banker nennen diesen strategischen Zaubertrick einfach und treffend „Trash for cash“. Der Krebs ist besiegt, Halleluja. Das giftige Vermögen, noch immer am Bluten, wird schnell unter den Teppich gekehrt, der Patient ist geheilt, das Geld wechselt den Besitzer, und die GesellschafterInnen freuen sich über die grandiose Show.
Am Beispiel der spanischen Pleitebank SAREB erklärt Chris Kondek, was es mit der Gute-Bank-böse-Bank-Strategie auf sich hat und wie Scheitern zu Erfolg und Scheiße zu Gold wird. Natürlich nur bis der Tumor zurückkehrt, um alle zu holen …

brut im Künstlerhaus/Saal
The Institute of Failure (Präsentation, 10 min)
In englischer Sprache

An der hauchdünnen Grenze zwischen staubtrockenem Humor und höchster Ernsthaftigkeit widmet sich das Institute of Failure angesichts der Manifestation des Scheiterns in sämtlichen menschlichen Bemühungen dessen Dokumentation, Erforschung und Theorie. Was ist Scheitern, und welche Rolle übernimmt es in der psychischen, kulturellen und sozialen Landschaft der Menschheit? Angeführt von Tim Etchells (Forced Entertainment) und Matthew Goulish (Goat Island, Every house has a door) und unterstützt von einem Team ehrenamtlicher Honorargelehrter, hat sich das Institut zum Ziel gemacht, das zeitgenössische Scheitern zu erforschen. Mit interdisziplinären Methoden werden sowohl architektonische Pleiten, gescheiterte Beziehungen, tote oder zum Scheitern verurteilte Medien als auch sportliche Misserfolge und die Natur der Katastrophe behandelt.
Die Honorargelehrte des Instituts Sara Jane Bailes wird einen Text der Direktoren Etchells und Goulish präsentieren, der speziell für sie und die Veranstaltung geschrieben wurde. www.institute-of-failure.com

brut im Künstlerhaus/Saal
Sara Jane Bailes (Brighton) & Bernadette Anzengruber (Wien)
(Gespräch/Publikumsdiskussion, 45 min)
In englischer Sprache

Was bedeutet „Scheitern“ im Performancekontext? Im gemeinsamen Dialog diskutieren Sara Jane Bailes und Bernadette Anzengruber, wie das Potenzial des Theaters, unser Verständnis von sozialen, politischen und alltäglichen Realitäten freizulegen, durch inszeniertes Scheitern erweitert werden kann. Sie werfen die Frage auf, was man von Performances lernen kann, die das Scheitern als künstlerisches Mittel verwenden und zelebrieren.
Sara Jane Bailes ist Dozentin für Theaterwissenschaft an der University of Sussex. Als Autorin hat sie das Buch Performance Theatre and the Poetics of Failure veröffentlicht. Bernadette Anzengruber ist Performancekünstlerin aus Wien und zeigt im Rahmen des brut-Themenschwerpunkts Nachhaltig scheitern am 13. Dezember ihr Pilotprojekt DICK.


22.30 bis 23.30 Uhr

brut im Künstlerhaus/Saal
Sebastijan Geč & Otto Krause & Milan Loviška (Wien)
After this, therefore because of this (Performance)
In englischer Sprache

“WARNING: Increased probability of uncertain future events due to the instability of the system. The successive disintegration of the initial set of rules governing structure and behavior might cause resistance and/or headache.”

Die Performer Sebastijan Geč und Milan Loviška und der Performer, Bühnen- und Kostümbildner Otto Krause starteten ihre Zusammenarbeit in einem Fünferkollektiv, das sich dann auf eine kleine, aber feine Dreiergruppe reduzierte. After this, therefore because of this versteht sich als posttraumatische Reaktion auf diesen Schwund, verursacht durch unvorhergesehene Turbulenzen und gescheiterte Beziehungen sowohl künstlerischer als auch persönlicher Natur. Die drei Performer begeben sich auf eine wundersame Reise, die die Wahrhaftigkeit von Gemeinschaft und Miteinander hinterfragt.

Konzept/Gestaltung/Performance Sebastijan Geč, Otto Krause, Milan Loviška Kostüm Otto Krause

Eine Koproduktion von Sebastijan Geč & Otto Krause & Milan Loviška und Tanzquartier Wien.


19 bis 22.30 Uhr, durchgehend

brut im Künstlerhaus/Foyer
Die Rabtaldirndln (Graz)
Sterbenswörter (Performance)

Ein Geschwader von Dirndln in Trauerflor beschäftigt sich mit den letzten Worten von Sterbenden. Diese Worte stehen wie ein Denkmal im Raum. Im Foyer im brut im Künstlerhaus wird eine Produktionsstätte für die letzten Worte von Sterbenden eingerichtet. Während die Wörter selbst nonchalant mit Post-its an der Wand verewigt werden, schaffen die steirischen Dirndln mit Jausen und Gesang einen würdigen Rahmen für die letzten Worte vor dem ewigen Schweigen. Die Rabtaldirndln bringen so das Scheitern in seiner transzendentalsten Form zum Ausdruck. http://dierabtaldirndln.wordpress.com/


23.30 Uhr

brut im Künstlerhaus/Bar
Sturzhelm Binder & gesterngirl (Wien)
One Hit Wonders (Playbackshow)

Zum krönenden Abschluss des Thementags Schnellkurs Scheitern bekommt das Publikum in einer Playbackshow die Chance, sich selbst am nachhaltigen Scheitern zu versuchen. Bei der letzten Playbackshow von Sturzhelm Binder & gesterngirl  waren PerformerInnen unter dem Motto Kings and Divas eingeladen, für einen Abend in die Rolle von legendären MusikerInnen zu schlüpfen. Für den Thementag zum Scheitern gilt die Devise: One Hit Wonders! Das Publikum ist aufgerufen, jene traurigen Gestalten der Musikgeschichte zu verkörpern, die gerade genug Bekanntheit erlangt haben, um dann sofort wieder in der Versenkung zu verschwinden. Bei der Playbackshow im brut haben die One Hit Wonders die einmalige Chance auf ein glorreiches Comeback! Für das erfolgreiche Scheitern beim Playback stehen dem Publikum eine schlecht sortierte Kostümkiste (Perücken, Jacken, Brillen etc.) sowie Songtexte und visuelle Inputs zu den Hits zur Verfügung. Wir wollen Euch scheitern sehen! Wer scheitert besser? Es gibt Preise zu gewinnen! Im Anschluss lassen sich die Stars des Abends gemeinsam mit Djane Ruthless Ruth in der brut-Bar feiern!

Von Sturzhelm Binder & gesterngirl

€ 8,–/6,– mit brutkarte*

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